„Ruhe in der Natur aller Dinge, der Basis, auf die sich alles gründet“
Lojong – Tibetisches Geistestraining

 

 

Maitri – Die Liebe, die Du bist 

Maitri ist Liebe und im buddhistischen Sinne auch die tiefe Freundschaft mit allem, was existiert. Maitri ist nichts was Du herstellen oder erlangen müsstest, sondern das, was Du bist. Die Buddhisten kennen die vier unermesslichen Geisteshaltungen: Liebe (Maitri), Mitgefühl (Karuna), Freude (Mudita) und Gleichmut (Upeksha).
Die Liebe, die Du bist, der ursprüngliche Geist (Yuan Shen 元神) scheint so oft in den Hintergrund zu treten, weil der kleine Geist (Shen 神), das, was Du glaubst zu sein, oft so laut und dicht ist. Der kleine Geist ist auf Effizienz und Kontrolle aus. Er will die Dinge zu seinen Gunsten manipulieren und immer das vermeintlich Beste für sich rausholen. Da ist auch nichts gegen einzuwenden, wenn man es bevorzugt in Anstrengung, Kampf und einem ständigen Ringen mit dem, was gerade ist, zu leben.

Jenseits der Polaritäten

Denn sobald der kleine, hungrige Geist für sich festgelegt hat, was jetzt das Beste für ihn wäre, muss er natürlich auch darauf bedacht sein, das Gegenteil zu vermeiden.

„Wenn auf Erden alle das Schöne als schön erkennen,
so ist dadurch schon das Häßliche gesetzt.
Wenn auf Erden alle das Gute als gut erkennen,
so ist dadurch schon das Nichtgute gesetzt.“
Laozi – Dao De Jing 2

Die Liebe, die Du bist, ermöglicht das Schöne und das Hässliche. Das, was Du wirklich bist, ermöglicht das Gute und das Nichtgute, braucht jedoch nichts davon, um zu sein, was es ist. Das Hässliche und das Schöne, das Gute und das Nichtgute brauchen beide das eine, alles ermöglichende Bewusstsein, um in Erscheinung zu treten.

Die erste Bewegung des Herzens

 In der chinesischen Vorstellung ist das Eine das Herz, die Heimat des Geistes oder dieses einen Bewusstseins (Yuan Shen 元神), das weder geboren wurde, noch sterben wird, jedoch Geburt und Tod ermöglicht. Dies zeigt sich in ersten Kapitel des Dao De Jing:

„Das Dao, das man ersinnen kann,
ist nicht das ewige Dao.
Der Name, den man nennen kann,
ist nicht der ewige Name.
Jenseits des Nennbaren liegt der Anfang der Welt.
Diesseits des Nennbaren liegt die Geburt der Geschöpfe.“
Laozi – Dao De Jing 1

Sobald Du anfängst die Erscheinungen im Bewusstsein zu benennen, zu klassifizieren und zu bewerten, entstehen das Gute und das Nichtgute, das Schöne und das Hässliche. Daher lehren die antiken chinesischen Wissenschaften, dass Ablehnung und Anhaftung die ersten Bewegungen des Herzens sind und das Blut und die Lebensenergie (Qi ) stören.

„Wenn ein Gemüt gegen irgendetwas eine Aversion hat, oder irgendetwas besonders begehrt, dann werden Blut und Qi im Inneren gestört und beide Qi schlagen aufeinander ein.“
Ling Shu – Kap. 58

xīn - Herz

„Das, was lebt und stirbt, ist die Person; das, was ohne Leben und Sterben ist, ist das Herz.“
Xingming guizhi – Das alchemistische Buch von innerem Wesen und Lebensenergie – Kap. 4

Gib alle Hoffnung auf Belohnung auf

Das Begehren (Yu ) ist die unerlöste Emotion des Herzens. Das Herz ist die Energie des Sommers, des Überschusses und der Fülle oder in der unerlösten Form, eine Bewegung, welche die Energie verschleudert wie das Begehren. Der Glaube das irgendetwas außerhalb von Dir läge, lässt Dich suchen, streben und einer vermeintlich positiven Zukunft hinterherlaufen. Im tibetischen Geistestraining Lojong heißt es deshalb:

„Gib alle Hoffnung auf Belohnung auf.“
Lojong – Tibetisches Geistestraining

Das setzt den Mut voraus in der Gegenwart, im Hier und Jetzt fühlend präsent zu sein, ohne in die Geschichten einzutauchen, in die Interpretationen und Analysen zu gehen. Aufgrund dieser Bewertungsmuster hältst Du einige Erfahrungen, die Dir das Leben präsentiert, für wichtig und andere für unwichtig, manche für falsch und andere für richtig. Vor vielen Jahren habe ich einmal gelesen, ich glaube, es war bei Jack Kornfield, dass der Buddha gesagt haben soll, dass Menschen, die Meinungen haben rumlaufen und sich gegenseitig auf die Nerven gehen. Wann immer Du glaubst, etwas rechtfertigen, erklären, verteidigen oder beweisen zu müssen, bist Du in der Geschichte des kleinen Geistes und bringst gerade nicht den Mut auf, mit der puren Energie der Erfahrung zu verweilen. Hier liegt wahre emotionale und geistige Freiheit. Das ist Furchtlosigkeit.

Richtig und falsch

„Die Menschen, die im Altertum das Dao verwirklichten, erreichten einen Zustand, in dem es kein Richtig und Falsch gab, das ist alles.“
Zhuangzi – Das Buch der Spontanität 33/4

Das, was Du für richtig und wichtig hältst, begehrst Du. Der Spiegel des Begehrens ist die Angst, die zu Aversionen gegen das Hässliche und Nichtgute oder gegen das Falsche und Unwichtige führt.
Die Angst gehört ins Wasser-Element, in die tiefste energetische Struktur. Das Wasser nährt das Holz, die Energie des Frühlings, des Tuns und Aufbruchs. Ist das Tun von Angst motiviert, willst Du kontrollieren und manipulieren. Alles soll effizient sein und möglichst so laufen, wie Du es gerne hättest. Das führt zu Reizbarkeit, Stress und Ungeduld. Im Umkehrschluss kannst Du Dich stets fragen, wenn Du gereizt, gestresst oder ungeduldig bist: „Was fürchte ich?“

Wasser & Feuer - Yin & Yang

Sinneswahrnehmung ist stets ein Erleben von Kontrasten. Das, was Du bist, ermöglicht Yin und Yang, Wasser und Feuer, Hell und Dunkel.
Bist Du in der Welt oder ist die Welt in Dir?

Ungeduld, Angst und Bodhisattvas

Wenn Du Dir diese Frage „Was fürchte ich?“ aufrichtig beantwortest, hast Du alles, was Du brauchst, um zu erkennen, wer oder was Du bist und wer oder was Du nicht bist. Der kleine Geist ist motiviert von Angst und Begehren, von Aversion und Anhaftung und besteht nur aus Energien, hier die Energie der Angst und Geschichten, die Erwartung, die in jeder Angst steckt. Die Antwort auf die Frage „Was fürchte ich?“ zeigt Dir klar die Geschichte, lässt Dich die Energie spüren und verdeutlicht, wer oder was Du nicht bist. Du bist nicht die Geschichte und nicht diese Energie, sondern das, was jede Geschichte und jede Energie ermöglicht, aber nichts davon braucht, um zu sein.
Ungeduld ist das Kind der Angst und hat stets eine aggressive oder wütende Komponente. Die Energie von Wut geht einher mit Abgrenzen und Verletzen, Schützen und Zerstören. Vielleicht ist Dir schon einmal aufgefallen, dass Ungeduld verletzend für Dich und für Deine Mitmenschen sein kann. Vielleicht konntest Du schon einmal wahrnehmen, wie Deine Ungeduld Dich in eine scheinbare Trennung von jemanden oder etwas geführt hat, weil Du nicht bereit warst, fühlend präsent zu sein und mit der Energie Freundschaft zu schließen. Das ist nicht leicht. Das ist wahres Kung Fu und der Weg des furchtlosen Herzens. Das ist die innere Haltung eines spirituellen Kriegers. Die Buddhisten nennen einen solch furchtlosen und mitfühlenden Menschen einen Bodhisattva, ein zum Wohle aller nach höchster Erkenntnis strebendes Wesen.

Ungeduld und Aggression sind Kinder der Angst

Perspektivwechsel – Als Einheit schauen

Wenn Du den Geschichten in Deinem Kopf glaubst und in Anhaftung und Ablehnung, in Angst und Begehren verstrickt bist, was uns allen widerfährt, dann kannst Du auch damit Freundschaft schließen und somit direkt wieder als die Liebe verweilen, die Du bist. Du kannst jede Erfahrung, die im Raum Deiner Wahrnehmung auftaucht, mit dem Herzen berühren oder die Energie und das Licht Deines Herzens (Shen Ming 神明) in jede Erfahrung, in jeden Gedanken und in jede Empfindung fließen lassen. Liebe ist Dein Schlüssel, Liebe ist, wenn Du mit allem, was im Raum des Bewusstseins auftaucht, Freundschaft schließt.
Eine der größten Herausforderungen für spirituelle Krieger sind sicherlich Menschen – einerseits jene, mit denen wir viel Geschichte teilen; anderseits Menschen, in den wir das sehen, was wir in uns selbst nicht sehen wollen oder können. Schließlich sieht sich das Auge selbst nicht. Um diesen blinden Fleck zu überbrücken, kannst Du Dich fragen:

„Warum erfahre ich mich durch diesen Geist-Energie-Körper, den ich für meinen eigenen halte, als mein Gegenüber (in dieser Situation)?

Wenn ich mit Lei, meiner Partnerin diskutiere, könnte ich mich fragen:

„Warum erfahre ich mich durch Niels als Lei (in dieser Situation)?“

Die Antwort empfängst Du eher mit dem Herzen als mit dem Verstand. Für mich ist das alles, was ich brauche. Darin liegen alle Schlüssel und jede Lösung, sofern es einer Lösung bedarf. Durch diese Perspektive erfährst Du Deine Mitmenschen nicht als von Dir getrennt, sondern als Erscheinung in dem einen Bewusstsein, dass Du bist und in dem auch die Person erscheint, die Du für Dein selbst hältst. Ist nicht alles, was vermeintlich außen erscheint, in diesem Bewusstsein? Bezieht sich ein Außen nicht ausschließlich auf den Glauben, dass Du auf den Körper begrenzt bist? Könntest Du mit allem im Bewusstsein Freundschaft schließen, statt wegzulaufen?

Vertraue dem Leben, das Du bist

Dann erkennst Du, dass Frieden nicht die Abwesenheit von Personen, Emotionen oder Gedanken ist, sondern dass Du frei sein kannst mit allen Personen, Emotionen und Gedanken. Dir steht mehr Energie zur Verfügung, weil Du nicht mehr so viel Aufmerksamkeit in Vermeidungsstrategien und Rechtfertigungen investieren musst. Das schenkt Dir ein ungekanntes Gefühl von Sicherheit, weil Angst Dich nicht mehr erschüttert, sondern Du sie wahrnimmst als das, was sie ist: pure Energie, welche die Tendenz hat Geschichten zu erzählen. Das sind nur Geschichten. Sie sind nicht bedeutungsvoll oder besonders wichtig – nur Geschichten. In dieser Freiheit kannst Du Dich entspannen, Dich zurücklehnen und dem Leben vertrauen, während Du zuschaust, wie sich das Leben entfaltet, das Du bist. Hab den Mut innezuhalten und Dich in allem zu erkennen, dass das Leben Dir präsentiert und Du wirst sehen, dass die Welle das Meer ist und nichts zu befürchten hat, nichts tun muss, um zu sein, was sie ist.

„Die Welt erobern wollen durch Handeln:
Ich habe erlebt, dass das misslingt.
Die Welt ist ein geistiges Ding (Shenqi),
auf dies kann man nicht willentlich einwirken.
Greift man willentlich ein, so verdirbt man sie.
Hält man sie fest, so verliert man sie.“
Laozi – Dao De Jing Kap. 29

Liebe, was ist…

Wenn Du mit mir tiefer gehen willst

Wenn Du Dich angesprochen fühlst und den Mut hast, die Freiheit, Dein wahres Wesen zu erforschen und als gelebte Erfahrung in die Welt zu bringen, freue ich mich, mit Dir bei einem unsere Trainings gemeinsam tiefer zu gehen.

Zurückkehren zum Ursprung
Dieses Training stellt die Erforschung der Ich-Identifikation in den Mittelpunkt und ist zum größten Teil in der daoistischen Lehre und in den antiken chinesischen Wissenschaften verwurzelt. Im fortschreitenden Training gibt es auch einige tibetische Einflüsse.

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